15. Februar 2024
Rückblicke

Kleines Land, unfassbar großes Projekt

von: Dani Clément

Wow, wer Holger Marohn von Femern A/S zuhörte, dem konnte fast schwindelig werden vor Superlativen. 7,4 Milliarden Euro teuer und ein Bau, für den die größten Schwimmbagger der Welt im Einsatz sind, ein Arbeitshafen und eine eigene Tunnelfabrik gebaut und internationale Spezialisten rekrutiert werden – das ist wirklich kein alltägliches Projekt, das die Dänen mit dem Fehmarnbelttunnel stemmen. „Bürgerreferent für Baustellenkommunikation“ ist die Berufsbezeichnung für Marohn, und die funktioniert ganz offensichtlich nicht nur vor Ort, sondern auch bei uns im Verein.

Marohn jagte uns durch einen wirklich spannenden Vortrag, der es schaffte, das beinahe Unbegreifliche anfassbar zu machen. Der längste Absenktunnel der Welt ist gleichzeitig das größte Infrastruktur-Projekt Nordeuropas, und was Ingenieurinnen und Ingenieure da an Cleverness und Planung reingesteckt haben, ist schon einmalig. Ein paar beeindruckende Kostproben? Gerne: Hier gibt es einen Bagger mit einer Schaufel, die so groß ist, dass man einen ihrer Aushübe in Schubkarren umladen und die ums gesamte HSV-Feld gruppieren könnte. Die Fertigbauteile werden vor Ort hergestellt, dafür wurde die größte Betonfabrik der Welt gebaut. Gearbeitet wird rund um die Uhr, ein Tunnel- element ist nach neun Wochen fertig und wiegt mehr als 63.000 Tonnen. 19 Millionen Kubikmeter Meeresboden werden insgesamt bewegt. Jeder, der mal ein Reihenhaus renoviert hat, kann über solche Höchstleistungen nur ungläubig den Kopf schütteln!

Ist der Tunnel dann am Meeresboden, wird er mit einer Gesteinsschicht bedeckt. Im Laufe der Zeit wird Sand drauf liegen und das Meer sich den Raum so zurückerobern.

2029 soll alles fertig sein; dann gelangt man in nur zweieinhalb Stunden von Hamburg nach Kopenhagen. Und die Finanzierung? Ist auch schon gesichert. Nicht über Steuereinnahmen, denn dann müssten auch die Däninnen und Dänen mitzahlen, die ihn nie benutzen. Sondern über eine Maut. Auch darüber staunen Hauseigentümer: Nach 30 Jahren soll der XXL-Bau abbezahlt sein; bei mehr als 120 Jahren erwarteter Lebensdauer ist das ein gutes Geschäft.

Am meisten Probleme sahen viele Menschen übrigens in der Belastung der Umwelt. Auch hier wird der Bau denkbar engmaschig überwacht und viele, viele Auflagen beachtet. Da es sich um ein grenzüberschreitendes Bauwerk handelt, müssen dabei die deutschen, dänischen und europäischen Umweltgesetze eingehalten werden. Am Ende spart die neue Verbindung 160 Strecken- kilometer, holt Schwerlastverkehr zurück auf die Schiene und fördert den Bahnverkehr quer durch Europa. Das spart Massen CO2 !

Da mutete das Vorhaben von deutscher Seite fast schon überschaubar an – aber eben auch nur fast. Wir haben einen Vergleich herausgesucht: Noch im Jahr 2022 projektierte das Verkehrsministerium unter Volker Wissing (FDP) gerade mal 74 Kilometer Neubau-Gleise – für ganz Deutschland! Nach 1955 wurden in 70 Jahren ganze 15.000 Kilometer Gleise in Deutschland stillgelegt. Da ist das norddeutsche Megaprojekt ein echter Kurswechsel, denn satte 88 Kilometer zwischen Lübeck und Puttgarden auf Fehmarn werden nun zweigleisig ausgebaut und elektrifiziert. Klar, dass auch hier Naturschutz und Anwohnerkommunikation große Themen sind. Auch wenn die dänische Seite früher dran war: Referentin Jutta Heine-Seela von der Deutschen Bahn versicherte, dass alles gleichzeitig fertig sein wird. Eine witzige Anekdote hatte sie auch im Gepäck: Die Riffsteine, die die Bahn kaufen wollte, um Natur wiederherzustellen, waren schwer zu kriegen. Der Grund: Dänemark hatte den Markt schon beinahe leergekauft.

Dieser Abend war fesselnd und machte vor allem Lust auf 2029, auf Lolland, Kopenhagen und ein Europa, das noch näher zusammenwächst. Wir sagen noch mal danke für die beiden tollen Vorträge!

Foto: © Femern A/S

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