22. August 2024
sonstiges

Farvel, Marietta – in Erinnerung an Marietta Killinger (1932 – 2024)

von: Dani Clément

Als ich Marietta das erste Mal besuche, komme ich, um einen Artikel zu ihrem 90. Geburtstag zu schreiben. Und bin an diesem Nachmittag mehr als einmal sehr beeindruckt. Das erste Mal, als sie wie selbstverständlich sagt, dass meine beiden Jungs mitkommen dürfen, zwei Kerlchen im besten (also schlimmsten!) Kindesalter. Als die zwei den Garten entern, kommen sie einem Kunstwerk bedenklich nahe, und Marietta warnt – nicht etwa, dass es kaputt gehen könnte. „Nicht, dass es ihnen auf die Füße fällt“, sagt sie ganz selbstverständlich. Sie entdecken auch den Pool im Garten, also teilt Marietta Handtücher aus, gibt ihnen nach der ersten Runde Schwimmen Kuchen: Es vergeht keine Viertelstunde, in der ihr großes Herz nicht sichtbar würde. 

Aber ich bin auch beeindruckt über ihren Start ins Leben: Eine Schiffsfahrt nach Dänemark sorgt mit starken Turbulenzen dafür, dass die Wehen bei Mariettas dänischer Mutter viel zu früh einsetzen, so kommt Marietta mit gerade mal drei Pfund in Gentofte zur Welt und kämpft sich ins Leben – 1932, lange bevor Lungenreifungsmittel der Säuglingsmedizin enorm helfen. Was für eine Kämpferin!

Die ersten Jahre verbringt Marietta in Hamburg-Wellingsbüttel. Während des Krieges lebt sie in Bayern, Gøteborg und schließlich Kopenhagen, wo sie die deutsche Schule besucht. Nach dem Krieg zieht sie zur Tante nach Aarhus. Erst nach dem Schulabschluss 1950 kehrt sie nach Hamburg zurück – Dänemark tief im Herzen.

Auch ihr Tatendrang und ihre Lust an Neuem erstaunen mich. Denn nach der Ausbildung zur Physiotherapeutin geht Marietta zurück nach Kopenhagen, danach nach London, hat Pläne für Paris – aber da hat ihr späterer Ehemann Hans Helmut sie schon kennengelernt, sie verloben sich 1959, heiraten und bekommen vier Kinder. Und so liebevoll Marietta über Dänemark spricht, so tut sie es auch über ihren Mann und ihre Kinder. In ihren Erzählungen liegt so viel Dankbarkeit über ihre Familie, die Sommer im dänischen Ferienhaus, dass es unwillkürlich Freude macht, daran teilzuhaben.

Als ihre Kinder größer sind, engagiert Marietta sich für das Musikfestival Schleswig- Holstein und ist 25 Jahre lang Vorsitzende des DDV, mehr als ein Vierteljahrhundert, organisiert über 50 Reisen und unzählige Veranstaltungen. Was für eine Leistung! Die bleibt nicht unbemerkt: Sie erhält von Königin Margrethe II. den Dannebrogorden und von der Bundesrepublik die Verdienstmedaille.

Aber Marietta ist nicht nur fleißig, sondern auch bewundernswert gebildet, immer zugewandt und herzlich – und voller Ideen für Veranstaltungen und Artikel. Als sie mir die Redaktion der DDV Mitteilungen übergibt, ist sie trotzdem so großherzig und lässt mich keine Sekunde spüren, wie groß die Fußspuren sind, die sie hinterlässt. Groß ist auch ihr Vermächtnis, für den DDV, ihre beiden Heimatländer, und für Bruno, dem sie den Vorsitz überträgt und den sie 25 Jahre kannte.

Wir haben mit ihr mehr verloren als eine tragende Stütze des Vereins: Eine kluge Stimme und Ratgeberin, gute Freundin und große Persönlichkeit, die die Liebe zu zwei Heimatländern tief im Herzen und charismatisch in die Welt trug und dafür von beiden Ländern mit höchsten Ehren ausgezeichnet wurde.

Als ich damals mit meinen Jungs wieder nach Hause aufbreche, sagt sie: „Kommt jederzeit wieder. Und packt Badehosen ein!“ 

Danke, Marietta, dass wir teilhaben durften an deiner Liebe zu Dänemark und zu den Menschen.
Die Arbeit des Deutsch-Dänischen Vereins wird immer auf dem Fundament ruhen, das du geschaffen hat. 

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