18. April 2024
Rückblicke

Ein Blicher-Abend mit Karin Nennemann

von: Torkild Hinrichsen

Das war ein ungewöhnlicher, sehr geglückter Abend. Wer nicht dabei war, wie wir 28, hat wirklich etwas verpasst. Karin Nennemanns einfühlsame, nicht sehr laute Stimme erzwang geradezu atemloses Lauschen, zumal sie selbst sehr behutsam die Novelle „Hosekræmmeren“ (der Strumpfkrämer) gekürzt hatte.

Zuvor führte Torkild Hinrichsen in die jütländische Heidekultur ein und würdigte den Dichterpfarrer Steen Steensen Blicher (1782–1848) in seiner vielseitigen Autorenleistung und seinem unglücklichen Privatleben mit steten Schulden, nicht funktionierendem Betrieb seines Pastorenhofes, seiner Ehe mit der Witwe seines Onkels und den insgesamt zu versorgenden etwa 14 Kindern.

Sein Schicksal war auch wesentlich bestimmt von den politischen Umwälzungen der Napoleonischen Zeit und ihren Folgen für Dänemark: dem Krieg mit England, den Angriffen auf Kopenhagen und dem Staatsbankrott von 1813, der Blichers Vermögen verschlang und ihn zum lebenslangen auf steter Flucht befindlichen Unglücklichen machte, der modernste Forst- und Landwirtschafts- artikel schrieb, die ebenso wenig Geld brachten wie seine 340 lyrischen Werke, die zum dänischen Dichtungssatz des „Gulalderen“ gehören, des dänischen goldenen Zeitalters von Malerei und Poesie zwischen 1810 und 1864.

So warf er sich auf Novellen, die sich in Zeitungen und Zeitschriften gegen Honorar veröffentlichen ließen. In 25 Jahren entstanden 95 (!), die alle auch kurz nach Erscheinen in deutschen Übersetzungen zu finden waren.

Ein Schwerpunkt seiner Novellen sind die jütländischen Geschichten aus den Heidegebieten, deren Möglichkeiten zur landwirtschaftlichen Nutzung er voraussah und einleitete. Damit in engem Zusammenhang stehen seine Bemühungen um den jütländischen Dialekt, was z. B. in der Geschichte „Die Strickstube“ auch sprachlich umgesetzt wird.

Blicher ahnte aber auch die künftigen Schwierigkeiten mit Deutschland, so das Schleswig-Holsteinische Problem, er starb jedoch vor Ausbruch des Krieges 1848/51 und der Erhebung Schleswig-Holsteins. Neben seinem unvergleichlichen dichterischen Werk ist Steen Steensen Blicher auch bekannt für die Schaffung des nationalen Himmelbergfestes, das auf dem größten dänischen Hügel bei Silkeborg (147 m) stattfindet.

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